Zeitungsartikel „Hamborner erschienen mit Geldsäcken vor Reichsbank“ (1993)

Zeitungsartikel „Hamborner erschienen mit Geldsäcken vor Reichsbank“ (1993), Zeitung k.A.,  Ausgabe Nummer 269, Donnerstag, 18. November 1993

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Beschreibung

Nummer 269   Donnerstag, 18. November 1993

Hamborner erschienen mit Geldsäcken vor Reichsbank

Hans Lembeck: Vor 70 Jahren wurde Inflation gestoppt

Es war damals ein Donnerstag, der 15. November 1923. Da erschienen die Hamborner mit 
Säcken voller Geld vor der Reichsbank Hamborn, die im Gebäude gegenüber dem Rathaus ihren
Sitz hatte, vor 70 Jahren wurde in Deutschland mit der Einführung der Rentenmark die Inflation 
gestoppt. In der Reichsbank Hamborn bekamen die schwerbeladenen Bürger für eine Billion
 Mark – eine Zahl mit zwölf (I) Nullen – eine Rentenmark. Daran erinnert jetzt der Hamborner
Privathistoriker Hans Lembeck.

Ein Karl Helfferich von der Reichsregierung – Lembeck: „Nomen est Omen“ – half mit der Übergangslösung Rentenmark, die vom Staat gedeckt war. Helfferich saß – wohl nicht nur damals eine Sensation – schon mit 36 Jahren im Vorstand der Deutschen Bank, war Jurist und Finanzexperte mit Beziehungen zur Großindustrie.
Thyssen konnte seinen eigenen „5 Goldpfennige“-Schein mit „wertbeständiger Entlohnung nur mit der Genehmigung von Helfferich ausgeben. Auf dessen Einfluß gingen auch neue Regelungen im Hamborner Rathaus zurück: Ab 1. Januar 1924 war doppelte Buchführung für Verwaltung und Geschäftsleben Pflicht.
Vor dem 15. November 1923 tauchten auch in Hamborn die noch seltenen Billionen-Scheine auf. Die Stadt Duisburg gab noch am 15. September dieses Jahres einen 50-Bil-lionen-Schein heraus, der mit zu den höchsten in Deutschland zählte. In Düsseldorf und
Mülheim „begnügte“ man sich mit 5 und 20 Billionen, nur die Nachbarstadt Krefeld schoß -mit 100- und 200-Billionen-Scheinen den Vogel ab.
Viele Menschen wurden durch die vielen Nullen auf den Scheinen irritiert, deshalb gab damals die Reichsbank einen Billionenschein heraus, auf dem seitwärts stand, daß es sich um 1000 Milliarden handelte.
Wieviel wert war nun eine Rentenmark. Auf seinem Goldpfennigschein gab Thyssen auch den Kurswert ein Golddollar gleich vier Reichsmark an. Die Stabilität dieses Verhältnisses wurde allerdings nur für 14 Tage garantiert, und das war damals ein guter Kurs.
Der Tagessatz im Hamborner Krankenhaus betrug vor 70 Jahren 3,50 Rentenmark für Erwachsene und 2,50 Mark für Kinder – natürlich inklusive Arztgespräch. Im September, im Durcheinander des Währungs-Übergangs, schafften es Urlauber, für einen Golddollar zum Beispiel in Thüringen 14 Tage lang Urlaub zu machen. Ab dem 15. November wurde dann mit Pfennigen gerechnet.
Finanzmanager Helfferich, fand Lembeck heraus, erlitt „ein undankbares Schicksal“: Er starb bei einer Urlaubsreise durch ein Eisenbahnunglück in der Nähe von Bellinzona in der Tessiner Schweiz. Seine stabile Rentenmark, die im Ausland nun anerkannt war, hatte er in seiner Brieftasche.
Übrigens: Wer heute in Opas Karton einen 100 Billionen-Schein der Reichsbank findet, hat wahrscheinlich einen Sammlerwert von rund 6 500 DM in der Hand.
lem/chris